„Sie sind doch kein Papagei! Denken Sie nach!“ Das bekamen wir im Dolmetsch-Studium mit schöner Regelmäßigkeit zu hören. Und mit voller Berechtigung: Was man als Dolmetscher:in nicht versteht, kann man auch nicht sinnvoll in eine andere Sprache übertragen.
Papageien und Sprachmittlung
Wenn zum Beispiel die Grünen zum Koalitionsvertrag sagen: „Diese Koalition hat Geld wie Heu, aber Ideen wie Stroh“, ist es hilfreich zu wissen, wer die Grünen sind, dass sie in der Opposition sind, dass die neue Regierung Finanzpakete in Milliardenhöhe vereinbart hat, aber die Grünen finden, dass der Klimaschutz darin zu wenig vorkommt, dass es sich bei der Aussage um ein Wortspiel handelt, das aber keineswegs wortwörtlich zu verstehen ist – und so weiter und so fort. Sprich: Professionelle Sprachmittlung durch Menschen a.k.a. Dolmetschen funktioniert keineswegs so, dass wir etwas „einfach nur in einer anderen Sprache nachsprechen“.
Papgeien und LLMs
Und da kommt ein anderer Papagei ins Spiel, von dem wir neulich bei einem Workshop „LLMs für Dolmetscherinnen und Dolmetscher“ von Florian Sachse – Software und Data Engineer – gelernt haben: der „stochastische Papagei“ (stochastic parrot). Diese Bezeichnung wählte Emily M. Bender 2021 in einem Paper über KI, um die Funktionsweise von LLMs zu beschreiben. Warum diese Metapher? Selbst wenn LLMs zwar plausible und richtig klingende Texte generieren können, sind sie nicht in der Lage, die Sprache selbst zu verstehen. In ihren Zusammenfassungen oder Antworten auf Chat-Fragen verwenden sie einfach nur bereits existierende Texte und sortieren die darin enthaltenen „Token“ neu, und zwar auf der Basis von Wahrscheinlichkeit (daher das Wort „stochastisch“ = vom Zufall abhängig), und eines nach dem Anderen. Dabei verstehen sie – im Sinne des menschlichen Verstehens – nicht einmal, das, was sie selbst „schreiben“. Was das an Einschränkungen beim Einsatz dieser Technologien für Übersetzen und Dolmetschen bedeutet, kann sich jede:r leicht ausrechnen (pun intended).
Interessant ist im Übrigen: Auf die Frage, ob Papageien verstehen, was sie sagen (man möchte ihnen ja auch nicht unrecht tun), schreibt ChatGPT: „Das ist eine interessante Frage. Ein Papagei versteht in der Regel nicht die Bedeutung der Wörter, die er nachahmt, so wie wir Menschen es tun.“
Papageien und Kommunikation
Als Dolmetscherinnen und Informations-Junkies habe wir natürlich noch einmal tiefer gebohrt, und siehe da: Im Fachmagazin Nature Communications berichten die Autoren von der University of Auckland von Keas, die Mathematik verstehen, relative von absoluten Häufigkeiten unterscheiden können und außerdem Statistiken berücksichtigen. Abgesehen davon haben Verhaltensbiologen herausgefunden, dass Graupapageien ihre Artgenossen unterstützen, auch wenn sie selbst keinen Nutzen davon haben.
Während also echte Papageien durchaus schlauer (und auch sozialer) sein können, als man gemeinhin vermuten mag, verhält es sich bei der KI genau umgekehrt. Die von der KI produzierten Texten klingen zunächst so schlüssig und beeindruckend menschlich, dass oft erst bei näherem Hinsehen deutlich wird, dass die Bedeutung gar nicht verstanden wurde. Und so wünscht man sich eigentlich, die KI würde es wie der findige Papagei in dem Witz mit dem Linguistikprofessor halten, der diesem nach monatelangem Sprachtraining auf die frustrierte Frage „Warum sprichst Du denn immer noch nicht?“ antwortet: „Ich warte nur, bis ich etwas Sinnvolles zu sagen habe.“